Ein Projekt von Wolfgang Thomas & Micky Pega

DAG-Folkloregruppe - The New City Folk Preachers

Vorbilder: Kingston Trio und Seekers


Etwa fünf Jahre lang hatte Harold Krämer mit den "Ravens" Beat-Musik gemacht, dann landete er beim Folk: Mit Willi Weber, ebenfalls ein Ex-"Rabe", und Angelika Stettner (Gesang), gründete er die "DAG-Folkloregruppe", zu der sich wenig später mit Renate Strack eine weitere Sängerin gesellte.

Statt der Rolling Stones, die die bevorzugte Band von "Buddy and The Ravens" gewesen waren, horchte Krämer nun bei sanfteren Tönen auf: "Meine absolute Lieblingsgruppe zu diesem Zeitpunkt war das ,Kingston Trio´." Dabei handelte es sich um drei Amerikaner, die fast zehn Jahre zuvor, nämlich 1958, einen weltweiten Hit mit "Tom Dooley" hatten. Ihre große Zeit war 1963, pünktlich mit dem Eintreffen der Beatwelle, vorbei, für den Siegener Gitarristen und Sänger aber waren sie Vorbilder. Das gleiche gilt für die "Seekers" aus Australien, die zwischen 1965 und 1967 Hits wie "The carnival is over" und "Georgy Girl" hatten. Deren Lieder standen im Mittelpunkt, wenn die DAG-Folkloregruppe auftrat - auch, als im Herbst 1967 das allererste Folk-Konzert auf Siegerländer Boden über die Bühne ging, veranstaltet vom rührigem Jugendpfleger Joachim Renisch. In der Realschule am Oberen Schloss traten im Herbst 1967 neben Angelika Stettner, Renate Strack, Willi Weber und Harold Krämer die Schwestern Uschi und Gitte aus Geisweid sowie ein 17-jähriger junger Mann namens Axel Werner auf, der vom DAG-Quartett begleitet wurde. Dessen anschließender Auftritt fand offenbar die Zustimmung von Publikum und Kritikern. Zitat: "Temperamentvoll die DAG-Gruppe, in der die beiden Jungen Gitarre und Gesang übernahmen, während die jungen Damen sich auf den Gesang allein konzentrierten. Ihnen mangelte es zu einem geschlossener wirkenden Vortrag lediglich an einigen Mikrophonen und Verstärkern, harmonisch war ihr Vortrag präzise und im tempodynamischen Ausdruck wirkten Programm und Interpretation mit am temperamentvollsten."

Axel Werner erinnert sich: Ich erinnere mich sehr gut an den erwähnten Auftritt mit der DAG Folkloregruppe, die angeblich den 17 jährigen Axel Werner begleitet hat. Sie haben mich nicht begleitet, ich war an dem Abend eine "eigene Nummer", habe songs von Dylan, Joan Baez und Donavan gespielt - Gitarre, Mundharmonica und Gesang, alleine - ohne DAG Gruppe. Die saßen derweil hinter mir und hörten zu. Das war mein erster öffentlicher Auftritt in Siegen, auf den viele weitere folgten. Immer bei den bekannten Beatbands in den Pausen. In Siegerlandhalle, Bismarkhalle, später weiter bis nach Olpe und so weiter Im Star Club hatte ich vorher schon mal mit "Donna Donna" einen Gesangswettbeweb gewonnen. Es war das einzige Stück, das ich spielen konnte, kannte nur die paar Akkorde, es gab eine Flasche Sekt.
Später - 1969 - habe ich in der Siegerlandhalle im großen Saal mal bei einen Talentwettbewerb hinter einem Friseurlehrling , der mit "Mama" auf dem ersten Platz landete, den zweiten Platz belegt - vor 2000 Zuschauern! Da war was los!
Fragt mal rum! Ich bin der Meinung, dass ich auch Teil der Siegerländer Beatgeschichte bin. Irgendwer müßte doch Fotos haben? Da ich immer auf der Bühne stand, hab ich keine. Außer von dem Abend mit der DAG Gruppe. DAs muss ich mal suchen.
Das Foto der shotguns mit mir zusammen - Ede Ruschmeier zündet sich im Vordergrund eine kleine Pfeife an - das entstand übrigens während einer Aufnahmesession auf der Bühne der Frauenfachschule am Fischbacherberg - Die Formation für die Aufnahmesession nannte sich " the cowpucky cookies " Ich habe gesungen, Gitarre und 5 string banjo gespielt.

Aktion Sorgenkind und Hilfe für Biafra


1969 gab es einen neuen Namen und damit verbunden eine fast völlig veränderte Besetzung: Den Kern der "New City Folk Preachers" bildeten nach wie vor noch Harold Krämer und Willi Weber, anstelle von Angelika Stettner - sie lebt heute in den USA - und Renate Strack - zog nach Bayern - mischten nun Jutta Heidrich + Anne (Gesang) sowie Horst Günter Werner und Wolfgang Prust (beide Gitarre und Gesang) mit. Werner kam von den Glad Rags, während Prust an Krämers Stelle bei Buddy and The Ravens eingestiegen war, die sich aber wenig später auflösten. Beide Folk-Formationen hatten eine Reihe von Auftritten, zum Beispiel zugunsten der "Aktion Sorgenkind" und für die "Hilfe für Biafra", wo es 1969/1970 zu einer schweren Hungersnot kam. Die "New City Folk Preachers" spielten auch beim nordrhein-westfälischen Jugendtag in Oberhausen und auf einer Weltspartags-Party in Kreuztal - nur in Siegen, vor allem beim "Tanz für die Jugend", gab es keine Engagements. Auch Krämers Versuche, die deutschen Plattenfirmen für die Siegener Folkies zu begeistern, schlugen fehl. Zwar stießen die von ihm eingesandten Tonbänder durchaus auf positive Resonanz, doch eine Einladung zu Probeaufnahmen gab es nicht: Nicht weil die Gruppe es nicht "drauf" gehabt hätte, sondern wegen des übergroßen Angebots an jungen Bands, die zu dieser Zeit einen Plattenvertrag anstrebten.

Hannes Wader wurde zum Vorbild


Krämer und Weber schlugen dieses Kapitel Ende 1970 zu. Harold Krämer wurde allerdings schon bald wieder in der Folkszene gesehen - mit Jürgen Burandt (heute: Second Shotgun) trat er unter anderem mit der Sands Family aus Irland auf.

Es folgte die Zeit mit den Oldtimers (Krämer und Burandt sowie die beiden Ex-Oranien-Street-Sounders Raimar Bruch und Jockel Königsfeld), nach deren Auflösung Anfang der 80er Jahre widmete sich der Ex-"Raven" ganz der akustischen Variante der modernen Musik, vor allem dem deutschen Folk und deutschen Liedermachern: "Hannes Wader hat mich in dieser Zeit ganz stark beeinflusst."

Gute Mischung


Bei einer Party in Neunkirchen schlug Anfang 1986 die Geburtsstunde für die bekannteste Siegener Folk-Formation: Dort packten unabhängig voneinander Harold Krämer und Holger Schneider ihre Klampfen aus.

Schon bald stellte sich heraus, dass sich die beiden bestens ergänzten: Krämer (Gitarre, Mandoline, Ukulele, Gesang) mit seiner Schiene Liedermacher/Volkslieder/jiddisches Liedgut, Schneider (Gitarre, Mundharmonika, Gesang) mit seiner Vorliebe für englisch gesungenen Folk, speziell die Lieder von Simon and Garfunkel. "Spielmann" nannten sich die beiden, nachdem sie Krämers Ehefrau Ilona auf eine entsprechende Zeile in Waders Lied "Der Rattenfänger" aufmerksam gemacht hatte. Rasch waren die beiden ein gefragtes Ensemble. Unter anderem spielten sie bei Oldie-Nächten von WR und "Route 66" zusammen mit den Tremeloes, The Mamas and The Papas und Scott McKenzie und den Rattles. Bei der Eröffnung einer Ausstellung im Kreishausfoyer über das Konzentrationslager Auschwitz sangen sie ausschließlich jiddische Lieder nach dem Vorbild der deutschen Gruppe "Zupfgeigenhansel". Noch gut in Erinnerung ist ein von WR-Redakteurin Maria Anspach getextetes, von den "Spielmännern" komponiertes "Sejener Led", das 1986 als Maxi erschien. Für den Text der Rückseite ("Natur ermöglicht Leben") zeichnete Krämers Vater Siegfried verantwortlich.

Breiteres Spektrum mit Heike Ihne


1991 wurde das musikalische Spektrum von "Spielmann" noch breiter, weil mit Heike Dittberner eine ausgebildete Sängern dazukam, die zudem Querflöte spielte. Krämer: "Damit konnten wir auch Lieder wie ,California Dreaming´ von The Mamas and The Papas spielen." Die Gruppe existiert noch heute, wobei es zuletzt pro Jahr noch zwischen 10 und 15 Auftritte gab.

Aktuell macht sich "Spielmann" allerdings rar - vor allem bedingt durch Krämers Aktivitäten rund um sein Beatles-Museum.