Ein Projekt von Wolfgang Thomas & Micky Pega

The Lsd 66

Stücke der Bee Gees als "Spezialität"


Stephan Kölsch und Georg Seemann waren nach dem Ausstieg der Brüder Bernd und Jörg Fieberg Mitte 1966 sowie von Eberhard Gatzen die einzig verbliebenen "Rippers". Allerdings blieben sie nicht lange alleine: Ende des Jahres hatten sie die Besetzung ihrer neuen Band "Lsd 66" zusammen.

Der Name hatte übrigens nichts mit dem zu dieser Zeit gerade in Mode gekommenen Rauschmittel zu tun, dem sich die Musiker um Stephan Kölsch und auch deren Umfeld nie verschrieben hatten: Die drei Buchstaben standen einfach für die Symbole des englischen Gelds pound (l), shilling (s) und (de-)pence (d).

Über Schlagzeuger Georg Seemann kamen Jürgen Brandenburger (Bass) und Heinrich "Henner" Gaumann dazu. Kölsch: "Henner konnte zwar ein wenig Gitarre spielen, war aber hauptsächlich wegen seiner hohen Gesangsstimme aufgenommen worden. Er tat dem Chorgesang der Band sehr gut. Bei Lsd 66 hat er auch nie Gitarre gespielt."

Auch der Kontakt zum neuen fünften Mann, Lothar Bossmann, kam über den Schlagzeuger zustande: Georg Seemann war damals mit Bossmanns Bruder Uli, heute ein bekannter Künstler, befreundet. Das Problem: Der als Rhythmusgitarrist vorgesehene Neuling konnte kaum Gitarre spielen - also nahm er Privatstunden bei Stephan Kölsch und war so innerhalb kürzester Zeit "auftrittsreif", auch wenn er "zunächst schon mal vergaß, wann er umgreifen musste".

Proberaum auch für Partys bestens geeignet


Mit Lothar Bossmann hieß es aber auch: "Hurra, ein Auto!" Er besaß einen VW-Käfer, mit dem sich die Bandtransporte leichter regeln ließen, und im Haus seiner Eltern stand ein größerer Probenraum - ebenfalls bestens für Partys geeignet - zur Verfügung als im Hause Seemann.

Bossmann erwies sich als durchaus gewiefter Autofahrer, der auch schon mal der Polizei ein Schnippchen schlug. Gut in Erinnerung ist ein Abend nach einem Auftritt, als der Rhythmusgitarrist, den Käfer hochbeladen mit der Verstärkeranlage auf dem Dachgepäckträger und zwei weiteren Personen "an Bord", mit rund 100 Sachen durch die Siegener Innenstadt fuhr: Als ihm ein Polizeiauto entgegenkam und angesichts des schnellen Käfers sofort wendete, steuerte Bossmann geistesgegenwärtig in die Friedrichstraße bis Höhe Emilienstraße. Dort schaltete er, in unmittelbarer Nähe der Polizeiwache, die Scheinwerfer aus und wartete, bis der Streifenwagen auf der Sandstraße vorbeigerauscht war. Dann fuhr er gemütlich in der gleichen Richtung weiter.

Mittlerweile war Franz Vitt, ein Schulkamerad von Stephan Kölsch am FJM-Gymnasium, zu "Lsd 66" gestoßen. Er spielte ebenfalls Rhythmusgitarre, verlieh der Band aber vor allem durch seine samtweiche Stimme zusätzliche gesangliche Vielfalt: "Stücke der Bee Gees wurden damals zu unserer Spezialität. Mit dieser Besetzung waren wir in der Lage, einen sauberen vierstimmigen Satzgesang abzuliefern."

Dazu kam nun noch Erika Plaum, auf die eigentlich 1965 die Gründung der Rippers zurückging und die zur "Folkabteilung" von Lsd 66 gehörte: "Ihre helle und glasklare Stimme wurde immer dann eingesetzt, wenn Folksongs an der Reihe waren - ,Blowin´ in the wind´ oder ,Morning of my life´ von den Ofarims zum Beispiel." Dadurch hob sich die Gruppe von vielen anderen Bands ab, die nahezu ausnahmslos männlich besetzt waren.

Georg Seemann: Beim Bund den Arm eingegipst


Lsd 66 hatte neben vielen Einzelauftritten - dazu zählten Beatwettbewerbe unter anderem im Jungen-Gymnasium, in der Bismarckhalle und im Partyclub (2. Platz) - auch einen Vierteljahresvertrag mit dem Café Barbara in Daaden. Stephan Kölsch: "Dort sind wir zweimal pro Woche aufgetreten." Zu dieser Zeit saß häufig Paul Galeski - später bei den "Mushrooms", heute bei der Tanzkapelle "Pikant" - am Schlagzeug, weil Georg Seemann seinen Bundeswehrdienst ableistete. Häufig, aber nicht immer: Dank seiner guten Beziehungen zu den Sanitätern seiner Einheit ließ sich der Beatmusiker in Uniform schon mal den Arm bis zum Ellenbogen eingipsen, damit er wenigstens hin und wieder hinter den Drums sitzen konnte.

Das Ende für Lsd 66 kam 1970, als auch die anderen Mitglieder zum "Bund" mussten.

Ausrüstung zum Schluss "verscherbelt"


Rein äußerlich und auch in weiten Teilen des Repertoires war Lsd 66 eine Gruppe wie die anderen Siegerländer Beatformationen auch - und doch gibt es einen gravierenden Unterschied zur "Konkurrenz" zu vermelden. Stephan Kölsch: "Wir konnten bei unseren Auftritten aus einem Reservoir von mindestens 25 Eigenkompositionen schöpfen."

Diese Stücke stammten ausnahmslos aus der Feder des Niederdielfeners, der heute bedauert, dass die meisten dieser Lieder im Laufe der Jahrzehnte verloren gegangen sind: "Nur einige wenige Texte sind noch vorhanden."

Häufig unterwegs mit Countyband "Desert Moon"


Die beim Siegerländer Publikum beliebtesten "selbstgestrickten" Lieder waren "Sunday worker man", das Kölsch als "straightes Beatstück" in Erinnerung hat, und "Plasticflowers", eine Instrumentalkomposition, die mit Querflöte gespielt wurde. Dieses Werk ging so ins Ohr, dass es jedes Mal mehrfach gewünscht wurde "und wir es mindestens drei Mal pro Abend spielen mussten".

Hob sich Lsd 66 durch den hohen Anteil an Eigenkompositionen von anderen Gruppen ab, blieb doch eine Menge an Gemeinsamkeiten: Der Rest des Repertoires wurde aus den damals gängigen Titeln der Hitparaden bestritten, das Quintett spielte, wie die Bilder belegen, in der Regel in Anzügen, weißen Hemden und mit Krawatten auf - und das bei den Engagements verdiente Geld wurde immer wieder in den Ausbau der Verstärkeranlage gesteckt. Kölsch: "Als die Anlage endlich bezahlt war, lösten wir uns bedingt durch die Einberufungen zum Bund auf. Die Ausrüstung mussten wir billigst verscherbeln." Allerdings besitzt er heute noch den Gitarrenverstärker Marke "Guyatone" - er wird wie viele andere Zeugnisse der Siegerländer Beatgeschichte in der Ausstellung "Let´s twist again" vom 28.7. bis 19.8. in der Siegerlandhalle zu sehen sein. Und Kölsch spielt immer noch die 12-saitige Framus-Westerngitarre mit Tonabnehmer, die er einst gegen seine E-Gitarre von Quelle eintauschte.

Für kurze Zeit gab es nach dem Ende von Lsd 66 das Duo "Henry and Steve" (Henner Gaumann und Stephan Kölsch), dann wurde dieses Kapitel zugeschlagen - obwohl es auch von dieser Formation Bemerkenswertes zu berichten gibt. Henner Gaumann: "1970 haben wir in der katholischen Kirche von Wilnsdorf gespielt, Stephan Gitarre, ich am Schlagzeug, dazu die Kirchenorgel und ein Jugendchor. Das war für die damalige Zeit für eine katholische Kirche noch eine absolute Sensation." Ansonsten waren Henry und Steve in Diskotheken zu Gast, traten bei Festen auf, bevor sich noch im gleichen Jahr das Ende abzeichnete. Gaumann hat danach nie wieder aktiv Musik gemacht.

Der Musik erhalten geblieben ist aus der festen Lsd66-Besetzung dagegen Georg Seemann, der sich in Hattingen einer Bluesband als Sänger angeschlossen hat. Und natürlich Stephan Kölsch: Er komponiert heute noch und liefert insbesondere Songs für "Desert Moon", wo er als Gitarrist, Steelguitar-Spieler und Sänger aktiv ist. Sein Titel "Ashes of the night", ein Gesangsduo-Titel aus der gleichnamigen Maxi-Single von Desert Moon, wurde europaweit in Rundfunkstationen gespielt.

Aktiv auch bei "Cäcilia" und "Spirited Voice"


Die nächsten Termine der beliebten Countryband, die am vergangenen Samstag beim "Käner Sommer" auftrat: 15. Juli beim Truck Grand Prix auf dem Nürburgring, eine Woche darauf spielt die Truppe im Siegener Schlossgarten und am 4. August beim Backesfest in Mausbach.

Kölschs musikalische Aktivitäten sind damit aber noch lange nicht erschöpft: Mit der Gruppe "Pikant" macht er Tanzmusik - am Schlagzeug sitzt dort mit Paul Galeski der Mann, der bei Lsd 66 für Georg Seemann einsprang und mit dem Kölsch vor rund zehn Jahren auch in der Gruppe "Alive" Rock-Musik machte. Außerdem singt Stephan Kölsch, der beruflich bei der Stadt Siegen im Controlling-Bereich arbeitet, zusätzlich zu seinen Band-Aktivitäten noch im Gemischten Chor "Cäcilia" Niederdielfen sowie in dem bekannten Gospelchor "Spirited Voices".