Ein Projekt von Wolfgang Thomas & Micky Pega

The Moonshots

Junger Lehrer half Schülern beim Start


Die Moonshots, zu denen Reinhard Conrads und wenig später auch Rainer Modro und Peter Albert von den "Sullivans" im Jahr 1969 stießen, hatten sich Anfang 1966 an der Realschule in Kreuztal zusammengetan: "Wir waren praktisch die zweite Schulband nach den `Lazy Bones`,"blickt Ekkehard Schneider, Steuerberater in Littfeld, zurück.

Schneider saß bis zum Sommer 1969 am Schlagzeug der "Mondschüsse" - dann musste er zur Bundeswehr. Bis zur Auflösung der Gruppe in Mai 1970 wurde er von Lothar Langpfahl ersetzt.

Mit zur Gründungsformation gehörten außer Schneider noch Volkhardt Gieseler (Sologitarre), Erhard Maginski (Rhythmusgitarre), Jochen Röther (Bass) und Günter Kaiser (Orgel, Gesang).

Unterstützt wurden die Beatmusiker übrigens von einem sehr aufgeschlossenen Lehrer. Ekkehard Schneider: "Hans- Peter Tornow, der heute noch zu jedem unserer Klassentreffen kommt, hat damals die Zeichen der Zeit erkannt. Er hat es geschafft, in der Schule Geldmittel für die Anschaffung eines Schlagzeugs und einer einfachen Verstärkeranlage locker zu machen." Auch einen Übungsraum in der Schule hat Tornow den "beatenden" Schülern besorgt, zu denen relativ schnell Rüdiger Donner als weiterer Rhytmusgitarrist stieß. Wenig später rückte er ganz an die Stelle von Erhard Maginski, der seine Gitarre an den Nagel hängte. Dann kam Rainer Strunk für den Bassisten Jochen Röther, konnte aber auch Klavier spielen und damit teilweise den Part von Günter Kaiser übernehmen, als der ebenfalls seinen Hut genommen hatte.

Wettlauf zum Mond stand Pate


Ekkehard Schneider über diese frühen Tage der "Moonshots": "Wir haben vor allem den Beatles nachgeeifert. Es waren die musikalisch eher anspruchsvolleren Stücke mit einer komplexen Instrumentierung, die wir in unserem Repertoire hatten." Ihren Namen haben sie übrigens vom in den 60er Jahren grassierenden Raumfahrtfieber abgeleitet - schließlich lief zwischen den USA und der Sowjetunion gerade ein heißer Kampf darum, wer als erste der beiden Supermächte Menschen auf den Mond landen würde. Ihre Auftritte hatten die Moonshots zunächst bei Schul- und Klassenfesten, sie wurden auch im Dahlbrucher Hof und für den Tanz für die Jugend in der Otto- Flick- Halle engagiert.

Schneider musste 1969 zur Bundeswehr, seine Karriere bei den Moonshots war damit beendet. Nach Beendigung seiner Wehrdienstzeit saß der Littfelder hin und wieder noch hinter der "Schießbude" - und machte zusammen mit Günter Kaiser, der heute in Frenkhausen bei Olpe lebt, Tanzmusik: "Erst als die Keyboards mit eigener Rhytmusmaschine aufkamen, war dieses Thema für mich erledigt."

Schneider hat übrigens alle Belege über Einnahmen und Ausgaben der "Moonshots" fein säuberlich aufbewahrt - natürlich auch aus der Zeit, als die Gruppe sich im Sommer 1967 neu formierte und mit dem jungen Architekten Frank Fritsch ein neuer Sänger dazukam.

Günter Kaiser - Vom Beat zur Tanzmusik


Dass es zur Gründung der "Moonshots" kam, war der Rivalität zwischen Beatles und Stones zu verdanken, wie sich Günter Kaiser, Jahrgang 1947, erinnert: "1964 wurde an der Realschule die erste Band gegründet - die Lazy Bones. Wir waren zu neunt." Im Jahr darauf tendierte die Mehrheit der Lazy Bones zu den Rolling Stones - und Kaiser, dem das nicht passte, scharte die Moonshots um sich.

Auftritte in der Schule, bald auch beim Tanztee im Cafe im Hochhaus in Buschhütten oder in der "Exotica"- Bar in Eichen waren angesagt. Kaiser, der zunächst ausschließlich Sänger der Moonshots war: "Hin und wieder wurden schon mal Walzer verlangt. Da hab ich mich an mein Akkordeon erinnert, das ich als Kind zu spielen gelernt hatte." Der Schritt zur Orgel war nicht weit: "Meine erste habe ich 1966 bei Horns gekauft."

Nach dem Abschied von den "Moonshots" rückte für den gebürtigen Buschhüttener die Unterhaltungs- und Tanzmusik in den Mittelpunkt: "Ich spielte zuerst mit zwei 40- Jährigen zusammen, die von der `Knüppelmusik` kamen und für mich als 20- Jährigen `steinalt` waren." Doch vor allem von Horst Simon, Getränkehändler aus Brachbach und früher Bassist im Orchester des Hessischen Rundfunks, habe er viel gelernt. 1969/70 tat er sich mit Willi Weber und Gerhard Haag, die von "Buddy & The Ravens" kamen, zusammen und machte mit ihnen als "Comics" bis 1981 Tanzmusik. Danach gründete er "Finish", zu denen der "Damaris Joy"- Schlagzeuger Thomas Adam und der Lehrer Wolfgang Ponwitz, jetzt bei "Middle of the Hees", gehörten. Von 1984 bis 1992 war Kaiser bundesweit als Alleinunterhalter unterwegs. Danach folgten Jahre in der Versicherungsbranche. Hin und wieder macht er noch öffentlich Musik, springt schon mal für den Oranien- Street- Sounder Günter Hummerich ein, sonst musiziert er vor allem "aus Spass an der Freud".

"Wir legen uns nicht nur auf Beat fest"


Volkhard Gieseler, Rüdiger Donner, Ekkehard Schneider und Günter Kaiser - diese "Moonshot"- Formation traf der 23- jährige Architekt Frank W. Frisch an, als er im Juni 1967 aus München zurückkam. Mit im Gepäck: ambitionierte deutsche Texte über politische Themen wie den Vietnam- Krieg, die europäische Vereinigung oder die künftige Rolle Chinas in der Welt.

Frisch erinnert sich: "Ich begann mir einige Bands anzuhören, um Menschen zu finden, mit denen ich an meinen Texten arbeiten konnte." Die Moonshots waren nicht abgeneigt, Frisch durfte einige Lieder vorsingen ("When A Man Loves A Woman", "Greensleeves", und "Run For Your Life"). Kurzfristig geriet die Band in Gefahr, weil Günter Kaiser seinen geplanten Austritt bekannt gab, doch mit Rainer Strunk war rasch Ersatz gefunden. Die fünf jungen Musiker trafen im Herbst 1967 eine schriftliche Vereinbarung: "Seit etwa einem Monat sind wir dabei, ein neues Programm einzustudieren. Eine moderne Band hat die Aufgabe, ihrem Publikum eine anspruchsvolles Programm zu bieten. Wir legen uns nicht allein auf Beat fest, sondern stellen aus allen Bereichen der modernen Musik unser Repertoire zusammen." Unterzeichner waren Volkhard Gieseler (Gymnasiast/ Solo- Gitarre), Rüdiger Donner (Retuscheur/ Rhytmus- Gitarre), Rainer Strunk (Gymnasiast/ Bass), Ekkehard Schneider (Steuerberater- Lehrling/ Schalgzeug) und Frank W. Frisch (Architekt/ Gesang).

Zwei Monate lang wurde geübt mit dem Ziel, am 1.Oktober öffentlich aufzutreten und mindestens 30 Stücke zu spielen. Das war nicht nur das übliche Repertoire mit Beatles- , Stones- und Bee Gees- Stücken - Frischs Einfluss machte sich bemerkbar: "Red Roses For A Blue Lady" gehörte dazu, "Ganz Paris träumt von der Liebe" und der Titel "Kilimandjaro" des Franzosen Pascal Danel. Die WESTFÄLISCHE RUNDSCHAU titelte am 4. November 1967 in der Rubrik "Für junge Leute": "Auf dem Weg vom Beat zum Chanson - Kreuztaler Moonshots wollen noch tüchtig an sich weiter arbeiten". Zu diesem Zeitpunkt hatte die neuformierte Band bereits Konzerte im Tanzlokal Kreuz in Geisweid und im Erndtebrücker Hotel Patt (Frischs Anmerkung von damals: "Zwei Tage hintereinander gespielt - finanziell recht mager") hinter sich.

Magere Auftragslage


Im November gewannen die "Moonshots" einen Beatwettbewerb des Fürst- Johann- Moritz- Gymnasiums in der Bismarckhalle. Schon vorher hat Frisch festgehalten: "Wir erlauben uns, so eingebildet zu sein, Aufträge bei Kreuz nicht mehr unter 150.- DM und gemeinsamer Werbung anzunehmen." Es folgte die übliche Tour: Klassenfeste, Schulball, Tanz für die Jugend, am 2. Weihnachtsfeiertag eine eigene Veranstaltung in der Bismarckhalle - und ein ernüchterndes Zwischenfazit: "Die Auftragslage ist Ende Januar magerer als erwartet. Die Jugendpfleger verhalten sich sehr zögernd. Mit den Eigenkompositionen geht es auch nicht vorwärts. Deshalb bin ich etwas passiver geworden, obwohl ich mich immer wieder auf das Singen freue." Im Februar gab es noch fünf Auftritte, darunter vier bei Modeschauen des Hauses Schneider in der Siegerlandhalle. Der Star war Rex Gildo, die Moonshots waren mit einer viertelstündigen Einlage dabei. Sie wählten dafür aus: "Kilimandjaro", "Sir Geoffrey Saved The World", "Hava Nagila", "The Letter" von den Box Tops und Frischs Vorzeigelied, "When A Man Loves A Woman".

Hochzeit und keine Auftritte - der Sänger hört auf


Im März 1967 spitzte sich die Lage für die Moonshots zu. Frank W. Frisch notierte: "Auftragsleerlauf" - und die Erkenntnis, dass die Kollegen auch in den Spielpausen "die Zeit und der Elan" fehlten, neben dem Proben aktueller Stücke auch an den Eigenkompositionen zu arbeiten.

Frisch beschloss, aus der Band auszutreten und setzte dies auch, rührenden Fanbriefen zum Trotz, in die Tat um. Es gab noch so etwas wie eine Abschieds- tournee: Am 4. Mai in der Otto- Flick- Halle in Kreuztal, wo die Moonshots zum ersten Mal Frischs Text "Gib mich frei" spielten - die Melodie lieferte "Vanilla Fudge" mit "You Keep Me Hanging On". Am 11. und 12. Mai gingen die beiden letzten Konzerte mit Frisch, der heute als FDP- Fraktionsvorsitzender im Kreuztaler Rat sitzt, in der Dahlbruchhalle und in der Siegerlandhalle über die Bühne - danach war Schluss: Zum einen wegen der beschriebenen Probleme, zum anderen, weil der Architekt am 24. Mai seinen Hochzeitstermin hatte.

Die Moonshots waren damit aber noch nicht erledigt - zunächst stieß von den "Sullivans" Reinhard "Pieps" Conrads dazu, im März 1969 folgten Rainer Modro und Peter Albert. Von den Gründungsmitgliedern waren jetzt noch Ekkehard Schneider und Volkhard Gieseler dabei.

"Pieps" - zu jung für die "Zuckerpuppe"


Über lange Zeit ein Weggefährte des Gitarristen Rainer Modro - von den Sullivans über die Moonshots bis zu den Mushroom der siebziger Jahre - war ein Mann, der heute noch eine zentrale Figur in der Siegerländer Musikszene ist: Reinhard Conrads, besser bekannt als "Pieps". In diesem Jahr feiert er mit seinen "Friends" das 20-jährige Bestehen.

Er selbst kletterte allerdings schon vor 40 Jahren zum ersten Mal auf eine Bühne - bei einem Fest des Jungen-Gymnasiums, das er selbst gar nicht besuchte. Die künstlerische Leitung hatte der spätere "Stern"-Redakteur Jürgen Steinhoff. Conrads: "Wir wohnten im selben Haus, und dort hat er mich öfter Gitarre spielen und singen gehört." Die Frage, ob er nicht in der Aula auftreten wolle, beantwortete der Nachwuchsmusiker positiv. Nur über das Repertoire gab es Diskussionen: "Eigentlich sollte ich ein Lied von Bill Ramsey singen, doch die `Zuckerpuppe von der Bauchtanztruppe´ erschien dem Lehrkörper nicht passend für einen Zwölfjährigen. "So sang und spielte "Pieps" den damals bei Schülern äußerst beliebten Schlager "Charlie Brown"- übrigens begleitet von Günter Hummerich und anderen Mitgliedern der "Oranien Street Sounders".

Von "Charly Brown" über Skifflemusik zum Beat


Das Gitarrespielen hat Reinhard Conrads bei Jürgen Tietze, heute Lehrer an der Bertha-von-Suttner-Gesamtschule, gelernt: "Ich war bei ihm in der Pfadfindergruppe. Er hat uns bei Gesangswettbewerben der `Wölflinge` immer begleitet - bis das eines Tages nicht mehr erlaubt war. Deshalb musste ich selbst innerhalb kürzester Zeit das Instrument lernen. "Tietze verpasste "Pieps" auch seinen Spitznamen, unter dem er auch heute noch landauf, landab bekannt ist.

Nach seinem Auftritt beim Schulfest musizierte er mit einer Skiffle- Gruppe, die sich "Blue Cardigans" nannte: "Den Namen bekamen wir, weil wir immer hellblaue Frotteehemden anhatten." Danach kamen die Sullivans, und nach deren Ende stieg "Pieps" bei den Moonshots ein. Dort hatte sich der Sänger Frank W. Frisch verabschiedet, Conrads übernahm den Job und spielte mit Volkhard Gieseler (g), Rüdiger Donner (b) und Ekkehard Schneider (dr). Anfang 1969 kamen dann mit Peter "Schnüffi" Albert und Rainer Modro zwei weitere Ex-Sullivans dazu, Rüdiger Donner hörte auf.

Bei den Sullivans ausgestiegen war Conrads, weil ihm die musikalische Richtung nicht mehr passte - mit dem Einstieg von Ulrich Hackler, der später übrigens Vorsitzender der Jungsozialisten in Siegen war, und Paul Wurm sei die Gruppe eher in die Stones- Ecke "gerutscht": "Und das war nicht meine Sache. Ich war schon immer mehr für das Melodiöse." Bei den Moonshots lag er da gerade richtig - die waren schließlich von Beginn an auf dieser Linie gefahren, und das gar nicht schlecht. In der neuen Besetzung spielten sie unter anderem beim ersten Geisweider Flohmarkt 1969, ein Auftritt im "Haus Heimat" am 5. Januar 1970 ist in der Erinnerung geblieben.

Im Mai 1970 allerdings forderten Ausbildung, Bundeswehr und Studienbeginn der verschiedenen "Moonshots" endgültig ihren Tribut: Die Band, die aus der Kreuztaler Realschule hervorgegangen war, löste sich auf.