Ein Projekt von Wolfgang Thomas & Micky Pega

The Oranien Street Sounders

Fünf Mark pro Mann und Stunde


Es gab viele exzellente Siegener Bands in den sechziger Jahren, doch keine hat bis heute den Kultstatus der Oranien Street Sounders erreicht. Günter Hummerich, Raimar Bruch, Manfred Kemper und Jockel Königsfeld waren die regionalen Vorbilder für eine ganze Musikergeneration - und sind es bis heute geblieben.

Begonnen haben sie bereits in den fünfziger Jahren als Skiffle-Band. Später haben sie Pat Boone gespielt, Fats Domino, Elvis natürlich und Cliff Richard: "Alles, was gerade angesagt war," blickt Raimar Bruch, der Gitarrist der Gruppe, zurück. Bei diesem Rezept blieb die Formation von der Oranienstraße, vor allem nach dem großen Fest am Jungen-Gymnasium 1961, bei dem - wie berichtet - auch Reinhard "Pieps" Conrads seinen ersten großen Auftritt hatte. Nach dieser Fete, die vom heutigen Stern-Redakteur Jürgen Steinhoff moderiert wurde, stieß Schlagzeuger Manfred Kemper zu der Gruppe, die sich fortan offiziell "Oranien Street Sounders" nannte und landauf, landab Erfolge feierte - mit Einschränkungen, wie sich die Vier 1985 in einem Interview mit WR-Redakteur Horstgünter Siemon erinnerten: "Diese Tingeltangel-Musik ist doch nichts für Oberschüler - mit solchen Einwänden wurden wir öfters konfrontiert."

Doch davon ließen sich Tastenmann Hummerich, der auch für den Leadgesang zuständig war, Bruch, Kemper und "Jockel" Königsfeld (Bass) nicht beirren. Von 1962 bis 1969 standen sie praktisch jedes Wochenende auf irgendeiner Bühne: Sie waren so etwas wie die Hausband des damaligen Stadtjugendpflegers Joachim Renisch, der die beliebte Veranstaltungsreihe "Tanz für die Jugend" ins Leben gerufen hatte. Sie wurden für Veranstaltungen in den Nachbarstädten engagiert, musizierten bei Vereinsfesten, spielten einen Sommer lang jedes Wochenende im Niederfischbacher Hotel Köhler zum Schwoof - und agierten bald bei Beatwettbewerben, die es ab 1965 zuhauf gab, nicht mehr als Musiker, sondern saßen in der Jury.

Allerdings machten sie eine ganze Reihe von Erfahrungen, mit denen auch ihre Nachfolger am Jungen-Gymnasium, wie die Shotguns, die Quartermasters oder die Watchmen, konfrontiert wurden. Beispiel technische Anlagen: "Am Anfang haben wir über ein Radio als Verstärker gespielt." Beispiel Horn: "Ohne diesen Mann hätte es manche Band in Siegen nicht gegeben," weiß Raimar Bruch und rühmt wie seine Kollegen den Musikgeschäft-Besitzer, der ein Herz für den Nachwuchs hatte und Instrumente und Anlage "auf Pump" zur Verfügung stellte.

Beispiel Vorbilder: "Natürlich bekamen wir einen Schub, seit wir die Bands aus England hörten." Das ging nur bei Radio Luxemburg: "Der Sender war damals ausschließlich über Mittelwelle zu erreichen - mit einem sagenhaften Rauschen. Aber wir waren froh, wenn wir überhaupt etwas per Tonband mitschneiden konnten." Favoriten waren ab 1963 die Beatles und alle Bands, die den eher melodischen Beat bevorzugten. Den Oranien Street Sounders kam zugute, dass nicht nur Hummerich, sondern auch die anderen Musiker gut bei Stimme waren. Die Verdienstmöglichkeiten waren nach heutigen Maßstäben eher bescheiden, für damalige Verhältnissen aber fürstlich. Fünf Mark pro Mann pro Stunde - "damit zählten wir schon zu den Spitzenverdienern.". Raimar Bruch: "Manchmal sind wir montags mit 50 Mark in der Tasche zur Universität gefahren - da konnte man sich in der Mensa auch schon mal in die Abteilung setzen, wo bedient wurde."

1969 löste sich die Gruppe zunächst einmal auf: Manfred Kemper stand vor dem Examen als Mediziner und baute seinen Doktor, Günter Hummerich, Raimar Bruch und Jockel Königsfeld standen allesamt vor der Staatsprüfung als Lehrer.

Die Geschichte der Oranien Street Sounders ist damit aber nicht zu Ende erzählt: Die Musiker machten zunächst in anderen Formationen weiter, und es gab sie auch bei der Siegerländer Kultband Nr.1 - die Wiedervereinigung, oder - wie es im Musiker-Neudeutsch heißt - die "Reunion".

Montags wird jetzt wieder geprobt


Es war Ende 1968, als sich - im wesentlichen beruflich bedingt - die vorläufige Trennung der Oranien Street Sounders abzeichnete: Günter Hummerich gründete mit Günter Hamisch von den "Rags" sowie Karl-Heinz Stöcker und Werner Krause von den "Quartermasters" die Gruppe "Sweet Sound Four", während Raimar Bruch, Joachim "Jockel" Königsfeld und Manfred Kemper für kurze Zeit noch gemeinsam mit Peter Janzen (ebenfalls von den Quartermasters) als Oranien Street Sounders auftraten.

Grund für den Wechsel waren aber auch musikalische Differenzen: "Wir anderen wollten, dass wir unser Spektrum um eine Orgel, die damals für moderne Gruppen einfach dazugehörte, erweiterten. Günter wollte aber bei seinem Klavier bleiben." Doch dieses Kapitel wurde im Laufe des Jahres 1969 zugeschlagen - während Hummerichs "Sweet Sound Four" bis weit in die siebziger Jahre hielt, konzentrierten sich die restlichen Oraniens zunächst auf ihre beruflichen Karriere, Bruch hatte außerdem einen schweren Verkehrsunfall und war über ein Jahr außer Gefecht.. Er und Königsfeld waren wie Hummerich nun Lehrer, Manfred Kemper promovierte und arbeitete als Arzt.


Der erste, der wieder Spaß am Beat fand, war Raimar Bruch. Er tat sich 1975 mit Gleichgesinnten zusammen: Mit dem Journalisten Jürgen Burandt, heute WR-Redakteur in Betzdorf und Sänger bei "Second Shotgun", und Harold Krämer, Werbechef bei Sigenia Frank und Direktor des kleinsten Beatles-Museums der Welt. Als "Oldtimers" ließen sie die Musik der sechziger Jahre wieder aufleben und erhielten bald Verstärkung - in Person1 von Jockel Königsfeld: "Ich sah sie eines Tages auf dem Siegener Markt stehen und Oldies spielen - da hat es mich wieder gepackt." Diese Formation hielt bis in die frühen achtziger Jahre. Zum Schluss saß für kurze Zeit der Geisweider Kurt Thomasberger, der in den Sechzigern bei den "Glad Rags" und den "Centrics" gespielt hatte, am Schlagzeug, weil Burandt sich auf den Gesang konzentrierte.

Quasi als "Eintagsfliege" gab es zwischendurch auch wieder eine Band namens Oranien Street Sounders - mit den Gründungsmitgliedern Bruch und Königsfeld, Reinhard "Pieps" Conrads, dem früheren Shotguns-Gitarristen "Redie" Rothenpieler und dem Schlagzeuger "Mandy" - der Nachname ist seinen Mitspielern nicht mehr bekannt. Raimar Bruch: "So haben wir genau ein Konzert gespielt, und zwar für einen Freund in Mönchengladbach."

Auftritte mit Lords und Searchers


Das war das Vorgeplänkel für die Wiedervereinigung der Siegerländer Kultband: Etwa 1982 musizierten die *Original-Oraniens wieder und trafen danach auf Bands, denen sie in den sechziger Jahren nachgeeifert hatten. Am 6. Oktober 1985 traten sie in der Siegerlandhalle mit den Lords bei einer Veranstaltung auf, die dem "Tanz für die Jugend" nachempfunden war, und im Jahr darauf heizten sie im Leonhard-Gläser-Saal die Fans als Vorgruppe für die Searchers ein. Günter Hummerich in der WR: "Wenn mir jemand vor 20 Jahren erklärt hätte, ich würde einmal mit den Searchers auf der Bühne stehen, ich hätte ihn für verrückt erklärt." Diese Veranstaltung, von Rolf Rosenkranz ("Route 66", später "Blue Velvet") mit Unterstützung der WR organisiert, war der Auftakt für eine ganze Reihe von Oldie-Nächten, in denen die Tremeloes, The Mamas and The Papas, Scott McKenzie, Dave Dee und die Swinging Blue Jeans in der Siegerlandhalle spielten.

Die Oranien Street Sounders haben danach nie den Kontakt untereinander verloren. Hin und wieder gab es noch einmal einen gemeinsamen Auftritt, im Jahr 1999 organisierte der frühere Siegener Lehrer und jetzt in Alchen lebende Hermann Pamp eine Wiedersehensfeier mit Fans - und jetzt stehen Günter Hummerich, der seit vielen Jahren als Alleinunterhalter auftritt, Raimar Bruch, Joachim Königsfeld und Dr. Manfred Kemper einmal pro Woche wieder gemeinsam im Probenraum: Die Oranien Street Sounders eröffnen am Samstag, 18. August, die große ' Wiedersehensparty der Siegerländer Beatszene in der Siegerlandhalle.