Ein Projekt von Wolfgang Thomas & Micky Pega

The Shotguns

Bei Festivals meist außer Konkurrenz


Wie die "Quartermasters" nannten sich auch die "Shotguns" nach einem Titel der Shadows, und auch sie fanden sich nach dem Vorbild der Oranien Street Sounders am Städtischen Jungen-Gymnasium zusammen. Bernd "Redie" Rothenpieler: "Sachen von Cliff Richard und den Shadows, Rock´n´Roll-Titel, Twist, Spotnicks-Stücke und Songs von Chuck Berry gehörten zu Beginn zu unserem Repertoire."

Das war 1962, also vor dem Einsetzen der ganz großen Beatwelle. Neben Rothenpieler (Sologitarre, Gesang) gehörten Peter Schneider (Rhythmusgitarre), Karl Pongratz (Bass) und Jürgen Weller (Schlagzeug) zur ersten Besetzung. Die Geburtsstunde schlug bei einer Klassenfete - unter Aufsicht von Oberstudienrat Klingbeil: "Wir waren die große Attraktion." Es folgten Konzerte bei Jugend- Tanzveranstaltungen in Siegen, in Weidenau und im "Haus Heimat" in Rudersdorf. Gut in Erinnerung geblieben sind den verbliebenen Shotguns aber auch Gastauftritte mit angesagten deutschen Bands wie den "Cheyennes" aus Frankfurt und den "Rocking Chairs" aus Berlin im Party-Club auf der Eintracht.

1965 gab es die erste Umbesetzung: Helmut Ruschmeier kam für Karl Pongratz, und mit Ulli "Fender" Plümer anstelle von Peter Schneider wechselte auch der Rhythmusgitarrist. 1966 wurde aus dem Vierer-Pack ein Quintett: Neben den Gründungsmitgliedern Rothenpieler und Weller waren nun Plümer sowie Helmut und Ekkehard "Ede" Ruschmeier (Rhythmusgitarre, Gesang) die Shotguns, noch einmal ein Jahr später ergänzte Hans-Jürgen "Lex" Müller die Formation, weil Helmut Ruschmeier wegen seiner Einberufung zur Bundeswehr nicht immer einsatzbereit war.

Auftritte mit "Howie" und Graham Bonney


Im Gegensatz zu den ersten Jahren war das gesangliche Spektrum der Band nun erheblich breiter geworden. Songs der Beatles ("And your bird can sing", "Paperback writer"), der Moody Blues ("Peak hour"), der Bee Gees und der Rolling Stones gehörten von dieser Zeit an zum Repertoire, wobei "Sympathy for the devil" von Jagger/Richards und der Gassenhauer "My friend Jack" von "Smoke" bei Rothenpieler und Müller ganz besonders in Erinnerung geblieben sind. Später wurden die Shotguns "psychedelisch" - "Hey Joe" von Jimi Hendrix war ein "Renner". Und es gab eine erste Eigenkomposition: Am 30. April und 1. Mai spielte die Band das von Lex Müller und Ede Ruschmeier geschriebene Lied "See her on my way" ein - es ist wie viele andere Shotguns-Stücke als Tondokument erhalten geblieben. Gefragt war die Gruppe auch als Begleitband - unter anderem unterstützten sie den noch relativ unbekannten Howard Carpendale in der Otto-Flick-Halle, ein anderes Mal Graham Bonney im Kaufhof.

Eine "Framus" für den ersten Platz


Von 1965 bis 1968 nahm die Truppe an mehreren Beatfestivals ihrer Schule teil - stets außer Konkurrenz, weil sie zu gut war. Folgerichtig siegten die Shotguns beim Beatwettbewerb, den die Stadt Siegen 1967 ausgeschrieben hatte - als ersten Preis gewannen sie eine E-Gitarre der Firma Framus. Als Festival-Sieger waren sie dann auch überregional gefragt: Unter anderem spielten sie 1968 bei Jugendtanzveranstaltungen in Bad Godesberg und Marburg. "Frühe Kultstätte der Beatmusik"

"Lex" Müller - über die Zwischenstation "Watchmen" - und Ekkehard "Ede" Ruschmeier kamen von einer weiteren Band, die sich am Jungen-Gymnasium formiert hatte, zu den Shotguns: Den "Scots".

Sie wurden 1965 als Klassenband am Jungen-Gymnasium gegründet und bestand neben Müller (Bass, Gesang) und Ruschmeier (Sologitarre, Gesang) aus Uwe Tönningsen (Schlagzeug), Carlo Zimmermann (Rhythmus-Gitarre) und Robert Hoffmann (ebenfalls Rhythmusgitarre). Kurze Zeit später wurde Uwe Tönningsen durch Klaus Matzenbacher (er kam von den Sullivans) ersetzt, Carlo Zimmermann verließ die "Schotten" und wechselte zu den Cavemen, aus denen bekanntlich wenig später die Mushrooms wurden. Ende 1966 lösten sich die Scots auf, weil Ede Ruschmeier zu den Shotguns ging und Lex Müller bei den "Watchmen" einstieg.

Die Scots, erinnert sich Müller, kamen vor allem zu Probem im Lichtbildraum des Gymnasiums zusammen: "Das war eine frühe Kultstätte der Beatmusik. Er musste zur Hoch-Zeit täglich von mehreren Gruppen geteilt werden, damit man überhaupt eine Möglichkeit zum Proben hatte. Man war sehr happy, wenn man zu denen gehörte, die dort unterkamen - die Warteliste war lang." Das Repertoire der Scots bestand aus eher einfachen Songs: "Balla balla", "Tallahassie Lassie", "Poor boy", "Skinny Minny", "Satisfaction", "Around and around" zum Beispiel. Höhepunkte in der Karriere der Band waren zwei Beatwettbewerbe der Schule in der Stadtbühne, dazu gab es Auftritte in privaten Partykellern.

Wegen "Iron Butterfly" disqualifiziert


In Siegen waren die "Shotguns" übrigens nicht nur wegen ihrer Musik, sondern auch wegen ihres Band-Busses bekannt - ein grasgrün bemalten VW-Bully, der von Jürgen "Jimmy" Weller gesteuert wurde.

Der Ex-Schlagzeuger, der seit vielen Jahren als Ton-Chef für den Norddeutschen Rundfunk arbeitet ("Ich bin praktisch in der Branche geblieben") und in Hamburg lebt, erinnert sich: "In der Schule gab es Fragmente eines alten Schlagzeugs - darauf habe ich meine ersten Schläge geübt." Die Beatles waren damals noch nicht bekannt, eines der ersten Stücke, das die Neulinge vom Jungen-Gymnasium spielten, war nach Wellers Erinnerungen der Klassiker "Besame mucho". Später hätten fast 50 Titel der "Fab Four" zum Shotguns-Repertoire gehört: "Wir haben sogar einmal einen Tanz für die Jugend komplett mit Beatles-Titeln bestritten."

Weller (Jahrgang 1947) war wie "Redie" Rothenpieler praktisch von Anfang bis Ende der Band-Historie dabei, hat also auch die "psychedelische Phase" noch voll miterlebt. Das letzte offizielle Konzert der Gruppe stieg 1970 in Eiserfeld. "Redie" Rothenpieler: "Zum Abschied haben wir ,In-a-gadda-da-vida´ gespielt." Das 17-Minuten-Stück von "Iron Butterfly" war auch der Grund dafür, dass die "Shotguns" bei einem Wettstreit disqualifiziert wurden. Jürgen Weller: "Jede Gruppe musste drei Lieder spielen, wir traten allein mit ,In-a-gadda-da-vida´ an. Leider saß Günter Hummerich von den ,Oranien Street Sounders´ in der Jury - der kannte den Titel und wusste, dass es sich dabei nur um ein einziges Stück handelte."

Weller hat sein Schlagzeug 1970 verkauft, macht heute aber wieder Musik. In der Hamburger Gruppe "Wohlsein" steht er am Gesangsmikrofon, Songs von "Steely Dan" und "Little Feat" - also eher 70er-Jahre-Rock - gehören zum Repertoire: "Einmal im Jahr räumen wir die Scheune eines Bauernhauses in der Nähe von Hamburg aus und rocken los."

Die Ruschmeier-Brüder haben in Berlin Wurzeln geschlagen, sind Lehrer und machen noch immer gemeinsam Musik, jetzt in einer Gruppe namens "Bail Bond Agent": "Mehr oder weniger ein Oldies-Programm, Stücke von den Beatles, den Stones, den Dire Straits, Jackson Browne und den Eagles. Jeder durfte halt ein paar Lieder vorschlagen, die ihm besonders gut gefielen." In den 70er Jahren hatten die Ruschmeier-Brüder eine Band, deren Schlagzeuger es über eine Zusammenarbeit mit der deutschen Elektronik-Band "Tangerine Dream" bis in die Band von Iggy Pop brachte. 

Helmut Ruschmeier begegnen wir im Rahmen dieser Serie übrigens noch einmal: 1971 war er Mitglied bei "Eternal Light".

Aufnahmen mit ,Cowpuckey County´ Kontakte zu den Shotguns haben die Ruschmeiers aufrecht erhalten. Zwischen 1970 und 1977 gab es mehrere Treffen in Siegen, bei denen Musik gemacht und auf Band festgehalten wurde. Weil sich dabei eine Vorliebe für Folk- und Country-Musik herauskristallisierte, nannte sich diese lockere Formation "Cowpuckey County" (Kuhfladen District). Sie nahm unter anderem ein "Siegerland-Lied" auf. Für solche Gelegenheiten reiste Jürgen Weller aus Hamburg schon mal mit einer Technikausstattung an, die er bei seinem Arbeitgeber ausgeliehen hatte.

"Swinging Blue Jeans" und "Byrds"


Ein Oldie-Konzert am 6. Oktober 1985, bei dem die Lords sowie die Oranien Street Sounders spielten und die Ex-Shotguns Rothenpieler und Müller die "Watchmen" unterstützten, sorgte für die Initialzündung: Gemeinsam mit Jörg Fieberg (Rhythmusgitarre), dem WR-Redakteur Jürgen Burandt (Gesang) und dem Abendschul-Lehrer Ulrich Schloos (Schlagzeug) wurde im November 1985 "Second Shotgun" aus der Taufe gehoben.

In dieser Formation spielt die Band auch heute noch beziehungsweise wieder zusammen. Denn Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre saß Georg Maag, wie Burandt Redakteur der WR in Betzdorf, für Schloos am Schlagzeug, der aber bald wieder zurückkehrte. Jörg Fieberg, Metzgermeister aus Mudersbach, hat ebenfalls Sixties-Wurzeln: Er spielte Gitarre bei den "Rancours", die aus den "Cryers" hervorgingen - zwei Gruppen, die im weiteren Verlauf der WR-Serie natürlich noch vorgestellt werden.

Unter anderem traten "Second Shotgun" bei einer Oldie-Nacht von WR und Route 66 gemeinsam mit den "Equals" und den "Swinging Blue Jeans" in der Siegerlandhalle auf, 1988 heizten sie in der Stadtbühne die Stimmung für eine von dem Bassisten Skip Battin und dem Schlagzeuger Michael Clarke angeführte Formation der "Byrds" an. Müller: "Das waren natürlich absolute Highlights für uns. Schließlich war diese Gruppen mal unsere Vorbilder." Auch sonst gibt es keine Klagen über mangelnde Beschäftigung: Bei Stadtfesten und Oldie-Veranstaltungen sind die Dienste von "Second Shotgun" stets gefragt.

Das gilt auch für die große Wiedersehensparty am 18. August in der Siegerlandhalle. Dort treten außerdem die Oranien Street Sounders und zumindest drei der vier Originalmitglieder der "Watchmen" auf.