Für fünf Stunden Konzert gab es 1971 nur 100 Mark
Finanziell waren die späten sechziger und frühen siebziger Jahre kein Zuckerschlecken für Beatbands. 100

Mark zahlte etwa die Siegener Stadtjugendpflege 1971 für einen Auftritt am Oberen Schloss an die Magic Boons. Die hatten dafür geschlagene fünf (!) Stunden lang in die Saiten, Tasten und Felle gegriffen. Dem Klima in der Band tat das keinen Abbruch. Es gab gemeinsame Urlaubsfahrten, vor allem aber viel Spaß bei den Konzerten. Ein Blick in die frühen Repertoirelisten zeigt: Die Gruppe war beeinflusst von den progressiven Bands der Psychedelic- und Blues-Ära. Songs von Chicago, Cream, Canned Heat, Vanilla Fudge und Led Zeppelin bildeten das Gerüst des Programms. Stark vertreten war auch die deutsche Gruppe Petards (bekannt durch den Hit "Pretty

Liza").
Im Laufe der Jahre wuchs der Anteil an eigenen Stücken auf bis zu 60 Prozent, und auch die Verdienstmöglichkeiten verbesserten sich: Für einen Auftritt im großen Saal der Siegerlandhalle zahlte die Stadtjugendpflege am 5. April 1974 immerhin schon 500 Mark - und das für einen "nur" zweistündigen Auftritt.
Baum-Plakat: "Wir suchen noch Musiker"
"Wir suchen noch Musiker", stand auf dem Plakat, das Erwin Gebhardt eines Tages im Jahr 1968 an einem Baum entdeckte. Der junge Mann meldete sich bei der angegebenen Telefonnummer, und komplett war die Besetzung der

"Magic Boons": Georg Minkewitz (Gesang), Klaus Wittig (Gitarre), Manfred Graf (Bass), Uli Teuber (Schlagzeug) und eben Erwin Gebhardt (Orgel).
Seine ersten Gehversuche als Beatmusiker machte Gebhardt in Netphen: "Zur Konfirmation bekam ich meine erste Gitarre." "The Gentlemen" hieß die Gruppe, die es auf zwei Auftritte im Cafe´ Wilhelm in Netphen und ein weiteres Konzert in Siegen brachte. Seine neuen Kollegen brachten schon mehr Erfahrung mit in die neue Band, wobei sich Klaus Wittig wie viele andere durch die "Oranien Street Sounders" inspirieren ließ. Er erlebte die Gruppe beim großen Sch

ulfest am Jungen-Gymnasium 1962: "Ich saß da mit leuchtenden Augen und beschloss, ebenfalls Musiker zu werden."
Zwei Jahre später hatte er in der Realschule am Häusling eine Band auf die Beine gestellt: "The Butlers" - das waren Georg Minkewitz (Gesang, Rhythmus-Gitarre), Peter Bahnschulte (Bass), Klaus-Ulrich Müller (Schlagzeug) und Klaus Wittig an der

Leadgitarre. In der Schule gab es ein Schlagzeug und einen Probenraum, der Anfang war gemacht: "Gespielt haben wir zu Beginn alle Mann über einen Kofferverstärker, 20 Watt." Das Mikrofon wurde an einem Kartenständer befestigt: "Unser Sänger musste sich deshalb immer auf einen Stuhl stellen." Trotz dieser Widrigkeiten hatten die Butlers an der Schule eine "beachtliche Fanschar". Klaus Wittig: "Als wir bei unserem eigenen Schulfest spielen sollten, hatten wir zehn Stücke im Repertoire. Wir haben dann die gesamten Herbstferien geprobt, von morgens bi

s abends, bis zur totalen Erschöpfung." Zum Schluss hatten die Butlers 60 Stücke drauf: "Wir haben den ganzen Abend gespielt, ohne auch nur ein einziges Lied zu wiederholen." Auf dem Programm standen Songs von den Stones, einfache Beatles-Sachen, halt das, was die Hitparaden hergaben.
Auftritt bei der "Record- Beat- Show"
Aus den Butlers wurden die "Strange Five", als Sänger Manfred Streibl dazukam: "Da sind wir dann auch häufiger außerhalb der Schule aufgetreten." Cafe´ Barbara, Moulin Rouge, ein Konzert im Party-Club, auf den die "seltsamen

Fünf" besonders stolz waren. Einen besonders nachhaltigen Eindruck hat bei Klaus Wittig die Teilnahme an einem Beatwettbewerb in der Stadtbühne hinterlassen. Platz vier bei sechs teilnehmenden Bands war im Rückblick vielleicht nicht unbedingt erwähnenswert, aber es gab ein prägendes Erlebnis für den jungen Gitarristen: "Als Hausmeister Priel den Vorhang vor unserem Auftritt hochzog, fiel mir vor Schreck das Plektron aus der Hand - von diesem Tag an habe ich nie mehr mit Plektron gespielt." An Wochenenden war die Gru

ppe häufiger im Westerwald unterwegs: "Dort sind wir durch die Säle der Dorfkneipen gezogen, wo wir für ein Essen und ein paar Mark gespielt haben. Der Bruder von Peter Bahnschulte hat uns gefahren."
Als Bahnschulte 1968 aufhörte, taten sich Georg Minkewitz und Klaus Wittig mit dem Bassisten Manfred Graf zusammen, zu denen wiederum Schlagzeuger Ulrich Teuber stieß, der gerade bei den Mushrooms ausgestiegen war. Über das bereits erwähnte Plakat am Straßenbaum kam Erwin Gebhardt dazu - fertig waren

die "Magic Boons". Diese Gruppe war ab 1969 ein echter Renner in der Region. Auftritte in der Siegerlandhalle bei Veranstaltungen von Radio Luxemburg, im Haus Heimat in Rudersdorf (Erwin Gebhardt: "Dort hatten wir eine treue Fangemeinde"), in der Kreuztaler Otto-Flick-Halle.
Erfolgreich bei der "Meister- Chance"
Das änderte sich auch nicht, als Peter Kolke an der Gitarre Klaus Wittig abgelöst hatte. Höhepunkte der Bandgeschichte waren die erfolgreiche Teilnahme an der "Meister-Chance" der Dortmunder Actien-Brauerei 1973 und im Jahr zuvor ein Open-Air-Festival im Schlosspark, bei dem neben Franz K. aus Witten die Mushrooms, die Sons of Mortimer und Aquatic Plant (Gastsänger: Steve Dreffke) mitwirkten.
"Soul Stew" und "Cover Crew"
Irgendwann Mitte der 70er Jahre war Schluss mit den "Magic Boons". Erwin Gebhardt legte die Meisterprüfung im Bäckerhandwerk ab. Nach etwa zehn Jahren gab es noch einmal

eine Wiedervereinigung, für einen Auftritt auf der Eisernhardt beim "Rübezahl".
Georg Minkewitz war bis zu seinem frühen Tod Anfang der 90er Jahre Mitglied der "Cover Crew". Für ihn kam Peter Kolke, der zwischendurch unter anderem mit "Alive" gespielt hatte, mit Thomas Neuser und Paul Galeski. Auch Klaus Wittig kann auf erstaunliche Engagements zurückblicken: Auf die "Joe Erdbeben Combo" mit Mathias Jung (Gesang, einem Schlagzeuger Uli (

Nachnameunbekannt), dem Bassisten Klaus Soose und Herbert Schwengber an der Rhythmusgitarre. Es gab in den 80er Jahren die "Aufstrebende Schlagerjugend": Wittig, Uwe Afflerbach, Uwe Faber, der Schlagzeuger Karl Parchow und Joachim "Jockel" Schmidt, zu denen noch der Keyboarder Bernd Lauber stieß. Höhepunkt war ein Live- Auftritt in der 3Sat-Sendung "Bilder aus Deutschland", der selbst Heinz Rudolf Kunze verblüffte. Die "Aufstrebende Schlagerjugend" wiederum wurde aufgelöst durch "Soul Stew", zu der Peter Autschbach, Ulrich van der Schoor und Kristoff Becker gehörten: "Eine Profimucke".
Eine weitere Nachfolgegruppe der Magic Boons war "Undertaker": Georg Minkewitz, Erwin Gebhardt, Matthias (Drums) und Andreas (Leadgitarre), Milan Kveton (Rhythmusgitarre) und Harold Flender (Bass).