The Rockers
Vom Beat aus Liverpool besessen
"Unsere Aussprache war am Anfang schlimm," schaudert es Dieter Schmidt noch heute, "keiner von uns konnte richtig Englisch." Das galt allerdings auch für das Publikum - so konnten die Sprachprobleme "The Rockers" nicht daran hindern, eine der bekanntesten Beatbands im Kreis Altenkirchen zu werden: "Ich habe irgendetwas gesungen, dass wie Englisch klang."
Die Initiative zur Gründung kam von Dieter Schmidt (Rhythmusgitarre, Gesang): "Ich ging eines Abends 1963 vom Kino nach Hause, hatte ein Kofferradio dabei und hörte zum ersten Mal überhaupt Musik aus Liverpool." Ob es die Beatles oder die Searchers waren, die den jungen Wissener so elektrisierten, weiß er nicht mehr: "Aber ich war wie besessen." Gemeinsam mit seinem Bruder Dietmar (Bass), Horst "Charly" Schalles (Drums) und Karl-Heinz Henn (Gitarre) hob er die Rockers aus der Taufe - zunächst ohne ein einziges eigenes Instrument. "Die Gitarre und den Bass haben wir uns geliehen, auch die ersten Griffe ließen wir uns von einem Nachbarjungen zeigen."
Dass Dieter Schmidt und seine Brüder Dietmar und Uwe (Schlagzeuger bei "Streetlife") Musiker würden, war vorherzusehen. Vater Helmut, mittlerweile 80 Jahre alt, war ein Tanzmusiker von altem Schrot und Korn: "Er hat vergeblich versucht, mir Akkordeon beizubringen. Die Musik, die er machte, fand ich aber nicht so gut, aber dass er Musik machte, war für mich faszinierend." So war es kein Zufall, dass die Rockers ihren allerersten Auftritt in der Pause eines Gastspiels hatten, das Vater Schmidt in Mittelhof, zwischen Betzdorf und Wissen gelegen, gab. Dieter Schmidt: "Wir mit unseren unvollkommenen Griffen, gespielt über zwei aufeinandergestellte Radios der Marke Graetz, die hinter einem Tuch verborgen waren - und es gab kreischende Mädchen." Später kauften die Musiker auf Pump im Musikhaus Stahl ihre ersten eigenen Instrumente und Verstärker, ein Freund, der als Lehrling bereits ein geregeltes Einkommen hatte, bürgte. Als der Handel bekannt wurde, "war unsere Mutter restlos enttäuscht. Unser Vater nicht, der als Musiker konnte das nachfühlen."
Welchen Stellenwert die Beatmusik Mitte der 60er Jahre gehabt habe, könne man an den Gagen ablesen, meint Schmidt: Während sein Vater damals als "altgedienter Tanzmusiker vier bis sechs Mark pro Stunde verdient habe, hätten die Gastwirte für die jungen Gruppen schon zehn Mark pro Kopf und Stunde gezahlt.Ab 1965 gab es eine neue Besetzung der Rockers: Neben den Schmidt-Brüdern war nun Dieters Freundin und spätere Ehefrau Christel "Dizzy" Weller als Sängerin dabei, dazu der Leadgitarrist Gerry Otto, der Organist Heinz Schmidt und als Bass-Mann Achim Weidenbruch (vorher Kingbees). Die Anhängerschar war mittlerweile recht groß geworden: "Zu Auftritten außerhalb von Wissen mussten wir einen Bus mieten, damit die Fans mitreisen konnten. Und vorher haben wir uns in der Wissener Milchbar mit Liedern aus der Musikbox ,warm gemacht´." Per Bus ging es nach Windeck, in den Western-Saloon in Niederschelden, nach Rosenheim in die Gaststätte "Zur Linde". Sehr häufig gastierte die Band im Gasthof Orthen bei Wissen, heute noch als "P.O." bekannt: "Wir hatten damals eine Marotte: Wir sind manchmal extra zu spät gekommen, um die Stimmung anzuheizen. Wenn wir dann kamen, haben sich die Leute so gefreut, dass es schon genügte, wenn wir uns die Gitarren umhängten."
Favoriten der Rockers waren die Rattles und die Lords, Dave Dee und Graham Bonney, was sich natürlich auch im Repertoire niederschlug. Dieter Schmidt: "Mit vielen meiner Vorbilder bin ich später zusammen aufgetreten - ein wunderschönes Gefühl."
Diskotheken bedeuteten "Aus" für viele Beatbands
Siegen/Wissen. Die Rockers schlugen sich erfolgreich durch die sechziger Jahre, dann kam das Aus: "Das Aufkommen der Diskotheken machte es den Bands immer schwerer, das Publikum blieb weg."
Für Dieter Schmidt war das allerdings kein Grund, die Gitarre in die Ecke zu stellen: Aus den Rockers und der Tanzband seines Vaters "baute" er eine neue Formation, das "Diamond-Sextett", zu Beginn noch mit Helmut Schmidt an den Keyboards. Diese Gruppe löste Schmidt, gelernter Werbegrafiker, der als zweiten Beruf immer Musiker angab, erst vor sechs Jahren auf. Zu Schmidts Erfolgsgeschichte gehören auch über 80 Konzerte in den USA: "Ein Hotelmanager aus Florida hatte uns in Deutschland bei einem Konzert erlebt und fragte an, ob wir nicht Lust hätten, drüben zu spielen."
Mittlerweile ist Dieter Schmidt mit der Gruppe "Midnight Special" unterwegs, seine heutige Ehefrau akzeptiert den vollgepackten Terminkalender ohne Probleme: "Wenn ich wirklich mal drei Wochen frei habe, sagt sie jedes Mal: Du gehörst wieder auf die Bühne." Obwohl Schmidt, immer ein Vollblutmusiker war, hat er drei Angebote für eine Profikarriere abgelehnt - mit Rücksicht auf die Familie. Selbst der Offerte einer US-Band, die von seiner Interpretation des Songs "Help me make it through the night", hielt er stand: "Auch wenn ich heute vor der Wahl stehen würde, würde ich mich für die Familie entscheiden - aber der Verzicht auf die Musik würde mir sehr weh tun."