Ein Projekt von Wolfgang Thomas & Micky Pega

Eine Beatbraut erzählt

"Kinderhops" oder in die "Hundehütte"


Von Brigitte Adam

Es gab eindeutig zwei Fraktionen: Die weniger gut Behüteten gingen zu Wendels, in die Cherie-Bar oder in die "Hundehütte", wurden von uns beneidet, da sie sich regelmäßig polizeilichen Razzien auf der Suche nach zu jungem Publikum durch Flucht entziehen mussten und irgendwie schon viel erwachsener waren als wir. Die von zu Hause strenger Gehaltenen durften immerhin zum "Tanz für die Jugend", von den anderen abfällig "Kinderhops" genannt.

Meine Freundinnen und ich gehörten zur zweiten Gruppe. Sonntags von 16 bis 20 Uhr fand das harmlose Vergnügen statt. Die ganze Woche überlegte ich, wie ich am Sonntag der väterlichen Kleider- und Gesichtskontrolle entgehen könnte. ' Man rief ein leises "Tschüss", stahl sich aus der Tür - und wurde prompt zurückgepfiffen: "Komm mal rein!" Der väterliche Blick erfasste die Situation sofort: "Wisch das ab!" Gemeint war der dicke schwarze Lidstrich und die mit Penatencreme weiß geschminkten Lippen. "Zieh Dich ordentlich an!" Das bezog sich auf das für Beatlesliebhaber unbedingt nötige schwarze Outfit: eine schwarze Cordjacke, schwarzer Rock, schwarze Strümpfe, schwarzer Rolli. Die brave Tochter zog sich um, packte schwarze Kluft und Schminkutensilien ein und verwandelte sich auf der Toilette der Siegerlandhalle in die "Beat-Braut".

Der "Tanz für die Jugend" fand in Siegens Mehrzweckhalle statt. Viel zu helles Licht, keinerlei Disco-Atmosphäre. Man saß an langen Tischen wie die Hühner auf der Stange und wartete, dass man zum Tanzen aufgefordert wurde. Umgekehrt war das damals unmöglich. Mädchen taten so etwas nicht. Trotzdem (heute eigentlich unbegreiflich) fanden wir alles ganz toll, waren begeistert von der Musik der verschiedenen Bands: Glad Rags, Oranien Street Sounders, Shotguns.

Traumtypen wie John und George


Hauptsache, die Jungs konnten bekannte Titel nachspielen. Wenn sie auch noch gut aussahen, umso besser. In der Pause trank man seine Cola (Alkohol gab es nicht). Vier Stunden vergingen viel zu schnell, schließlich musste man einen ganzen Monat auf das nächste Tanzvergnügen warten.

Der Tanz für die Jugend musste natürlich in der nächsten Woche nachbereitet werden. Die anwesenden Jungs und Tanzpartner wurden von meiner Freundin Bettina und mir ausführlich durchgehechelt und meistens für nicht akzeptabel befunden. Bettina (künstlerisch sehr begabt) zeichnete mir dann Traumtypen ins Schulheft, die alle so aussahen wie John Lennon, George Harrison oder Paul McCartney.

Dann kam Gott sei Dank ein Sonntag im Jahr 1966.

Der Blonde in der City- Bar


Der Tanz für die Jugend war ausgesprochen langweilig, so dass ich die Veranstaltung frühzeitig verließ und in die
"City-Tanzbar" ging. Der heimlich von mir angepeilte Blonde war auch da, wir tanzten die ganze Zeit zusammen und er brachte mich nach Hause.

Jetzt, nach 35 Jahren, sitzt er neben mir. Und für mich sieht er immer noch so süß aus wie früher.

Zum Abschlussball mussten die Mädchen kalte Platten mitbringen


Wenn Brigitte Adam (früher: Nies) und Bettina Wendt (früher: Bode) heute zusammensitzen, dann werden in Windeseile Erinnerungen wach.

Erinnerungen zum Beispiel an die gemeinsame Schulzeit am Mädchen-Gymnasium, das für seine gestrenge, später nach Demonstrationen und Schulstreik versetzte Direktorin bekannt war. Eine Fotoserie, die Bettina Bode 1966 von Brigitte Nies und einem Mitschüler "schoss", fand keine Gnade - das Plakat für das Schulfest sollte ein anderes Motiv erhalten. Begründung von Oberstudiendirektorin Erhardt: "Rock zu kurz, Tanz zu eng."

Geschlossen meldeten sich ganze Klassen von Jungen- und Mädchen-Gymnasium in der Tanzschule Loeser an: "Obertertia die Mädchen, Untertertia die Jungen. Was uns nicht gefiel: Moderne Musik, zum Beispiel Twist, gab es nicht." Zum Abschluss- und zum Mittelball mussten die Mädchen kalte Platten mitbringen, dafür mussten die Jungen die Getränke bezahlen." Dieser Veranstaltungen fanden meist noch im Haus der Siegerländer Wirtschaft statt.

Gerne denken die beiden auch an Wendels Stuben, wo eine Musikbox immer mit den neuesten Hits bestückt war: "Dort hörten wir Stücke von den Supremes - das war einfach toll." Beliebt war auch der Filmclub der Volkshochschule in der Sparkasse, Eintritt 50 Pfennig. Zu einem richtigen Treff nach Schulschluss wurde das Cafe´ Schmidt in der Bahnhofstraße, eigentlich ein "gediegenes Cafe´ für ältere Herrschaften": "Dort saßen wir zu Zweit vor einer Cola und vertrieben die eigentliche Kundschaft." Später waren bevorzugte Treffpunkte der "Studentenkeller" am Oberen Schloss und das "Studio D".