Ein Projekt von Wolfgang Thomas & Micky Pega

Jürgen Tietze

Spiralkabel für Chris Barber


Meine Erinnerungen an die Musikszene der 60er Jahre sind - nach nun 30, 40 Jahren - sehr spärlich. Erstens, weil meine musikalische Vorprägung über die Pfadfinderei - Wander- und Fahrtenlieder - geschehen war, zweitens, weil ich privat für Western- Country- Hillbilly- Music und internationale Folklore und Dixieland- Jazz zu haben war.

So war ich neben oder hinter dem musikalischen Mainstream beheimatet und sehr schwer für die Musik der "Halbstarken" zu gewinnen, wiewohl mir der Rhythmus eines Bill Haley, Chubby Checker und die Rock´n´Roll- Stücke eines Elvis Presley durchaus zusagten. Ein wenig elitär und/oder verklemmt war diese Haltung schon.

1958 war ich Lehrling im Musikhaus Loos in Siegens Bahnhofstraße - 1839 gegründet und bis in die 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts imMusikgeschäft Siegens. Als (Wander-) Gitarrenspieler bekam ich die Abteilung E-Gitarren, Verstärker undsoweiter zugewiesen. Es war ein kleines Räumchen in der 2. Etage, also Wendeltreppe hoch, 1. Tür rechts. Schon damals war die Auswahl recht bescheiden, weil das Haus in erster Linie klassische Musikinstrumente (Klaviere, Blockflöten, Geigen, Gitarren) und "E-Musik" (Ernste Musik) als Schallplatten verkaufte.

Die jungen Damen der Schallplattenabteilung, Gisela, Eliane Margret, Heidi und Ilse-Angelika, sorgten dafür, dass der Vorrat an Platten der modernen Musikrichtung der 60er nie ausging. Sie konnten blind zulangen und hatten die Titel in der Hand.

Zu dieser Zeit existierte ganz kurz ein Beatkeller an der Siegbrücke, ein schummriges, feuchtes Ziegelsteingemäuer mit spärlicher Beleuchtung und viel lauter Musik. Der war den Stadtoffiziellen ein Dorn im Auge, weil er von Jugendlichen geführt wurde. Ich wohnte in der Bahnhofstraße und machte dort meine ersten Annäherungsversuche Mädchen gegenüber, als verklemmter Jugendgruppenleiter für mich eine Großtat - ich war damals 20!

Teilzahlung – oft gab´s Zoff mit dem Chef


Doch zurück zum "Fachverkäufer" im Musikhaus Loos! Ich war der Herrscher über ein kleines Reich von Elektrogitarren und -bässen von Hopf, Höfner, Framus, Gibson und Fender, E-Verstärkern und Boxen, Echogeräten
unterschiedlichster Provenienz, Zubehör aller Art, über die mich die beatbegeisterten jungen Leute erst einmal aufklären mussten. Da gab´s unter anderem Wha-Wha-Fußregler, Verzerrer zum Verändern des Gitarrensounds, da waren rotierende Lautsprecher in Boxen von zum Teil immenser Größe, halb- und vollakustische E-Gitarren. Oft gab´s abends Zoff mit dem Chef, Herrn Büdenbender, wenn mein gütiges Pfadfinderherz wieder einmal TZ (= Teilzahlungs)- Verträge zu Ungunsten der Firma abgeschlossen hatte. Barzahlung war unter dieser Klientel unmöglich, Fender-Stratocaster-Gitarren per Kredit mit langer Laufzeit bei Lehrlingsgehältern, das war´s!

Irgendwie hatten die "Mädchen" der Schallplattenabteilung unten es geschafft, die "Lords" zu einer Autogrammstunde zu bekommen, ohne Wissen der Chefetage. Da war was los bei Loos! Auch meine Musik-Idole, Chris Barber und seine Band, erstanden bei mir Spiralkabel und Klinkenstecker. Da war ich stolz!

An Siegener Bands sind mir noch die "Oranien Street Sounders" und die "Mushrooms" in Erinnerung. Es gab übrigens ein gutes Einvernehmen mit der Konkurrenz in der Friedrichstraße, mit dem netten Herrn Horn jun.! Nicht unerwähnt lassen will ich bei meinen Erinnerungen an die Musikszene der 60er/70er den "Beat-Club" im städtischen Jugendheim Altenhof, wo Else und Harry Hill für Jugendliche eine musikalische Heimat schufen mit Musik, Tanz, Butterbroten und 50 Pfennig monatlichem Beitrag. Dieser Club existierte bis etwa 1976.