Ein Projekt von Wolfgang Thomas & Micky Pega

Klaus Neumann & Walter Horn

Mit der Kasse bis zur Bühne gedrückt


"Tanz für die Jugend" - das war eine, die "offizielle" Veranstaltungsreihe für junge Leute in Siegen. Es gab 1964/65 noch eine zweite Serie von Konzertnachmittagen, die privat aufgezogen wurde: "Alis Party", bei der jeweils zwei Siegerländer Bands ihre Auftrittsmöglichkeiten bekamen. Organisator war Klaus Neumann - im Alter von 17 Jahren.

Neumann hat die Erinnerungen an diese Zeiten aufbewahrt. Er ist mittlerweile erfolgreicher Unternehmer, betreibt in Langenholdinghausen in vierter Generation einen Raucherbedarfsgroßhandel: Edle Feuerzeuge, Pfeifen, Aschenbecher - alles was dazu gehört:"Wir sind das älteste deutsche Unternehmen in der Branche." Urgroßvater Rudolf hat es vor genau 111 Jahren gegründet.

18 Monate lang sah es in den sechziger Jahren so aus, als sollte sein Urenkel Klaus aus der Art schlagen. Er erinnert sich: "Weil zunächst bis auf die ,Oranien Street Sounders´ Siegener Gruppen beim Tanz für die Jugend keine Chance bekamen, haben wir das selbst in die Hand genommen." The Shotguns, The Quartermasters - sie und andere bekamen bei "Alis Partys" die Möglichkeit das zu zeigen, was sie sich in den Probenkellern angeeignet hatten. Zehn dieser Veranstaltungen gab es innerhalb von eineinhalb Jahren: "Eine in der Bismarckhalle, vier im Kleinen, dann fünf im Großen Saal der Siegerlandhalle."

An Gewinne war nicht zu denken


An die erste Veranstaltung im Kleinen Saal denkt er mit besonders gemischten Gefühlen zurück: "Ich hockte mit der Kasse hinter einem Tisch an der Eingangstür. Der Saal fasste regulär vielleicht 300 Besucher - weit über 500 standen aber vor der Tür, der ganze Flur war voll. Es wurde gedrängelt und gedrückt - bis ich schließlich mit meinem Tisch auf der Tanzfläche saß. Im Endeffekt waren 500 Leute im Saal, von denen 120 bezahlt hatten."

An Gewinne war bei diesen Konzertabenden (jeweils 17 bis 22 Uhr) nicht zu denken. Die Siegerlandhalle musste gemietet werden, das Finanzamt hielt beide Hände auf - und dann ging auch das "Personal" hin und wieder ein wenig euphorisch zu Werke. Neumann: "Bei einem dieser Nachmittage hat eine unserer Helferinnen rund 100 Karten verschenkt - an alle Leute unter den am Eingang Wartenden, die sie kannte." Nach rund 18 Monate mussten die Akten von "Alis Party" geschlossen werden - nicht wegen Erfolglosigkeit: "Es war immer die Hölle los."

Den Sixties immer noch verbunden


Aber wie viele Musiker in diesen Jahren musste auch der junge Konzertveranstalter Klaus Neumann einen "richtigen" Beruf erlernen - der Vater, der ihm zuvor stets erlaubt hatte, die erforderlichen Säle zu mieten, legte Wert auf eine ordentliche Ausbildung.

Was damals abging, hat Neumann übrigens fein säuberlich fotografisch festgehalten, wobei die Fotos, die er heute noch in Alben hütet, stets einen gewaltigen "Umweg" machten. Abziehen lassen hat er sie nämlich grundsätzlich im thüringischen Tabarz, wo Verwandte wohnten und wohin er stets eine vollgepackte Tasche mit Filmen mitnahm, wenn er in Ferien fuhr.

Den Sixties und ihrer Musik sind Neumann und seine Frau Rosi im Herzen immer verbunden geblieben. Und auch beruflich hat er hin und wieder mit der Beat-Ära zu tun. Er war es, der zum Beispiel die "Beatles"-Feuerzeuge der Edel-Firma "Zippo" nach Deutschland geholt hat.

Instrumente und Verstärker auf "Pump"


Wenn einer Person ein Orden zur "Förderung der Beatmusik im Siegerland" gebührt: Er müsste posthum an den Siegener Musikhändler Walter Horn verliehen werden.

Fast in jedem Gespräch, das die WR in den vergangenen sieben Monaten für die Serie "Siegerländer Beatgeschichte(n)" führte, wurde Horn, der 1971 gestorben ist, erwähnt. Dabei wurde deutlich: Viele Musiker von einst verehren diesen Mann noch heute, weil er ihnen ihre Beat-Karriere erst möglich gemacht hat. "Wo gibt es das heute, wo gab es das damals," meinte zum Beispiel Rainer Modro (Sullivans, Moonshots, Mushroom): "Er hat uns allen Instrumente und Anlagen auf Pump überlassen. ,Zahlt, wenn ihr könnt´ - mehr sagte er nicht und drückte uns die Sachen in die Hände."

So gab es dann jeweils samstagvormittags das wöchentliche Treffen der Siegerländer Beatszene in Horns Geschäftsräumen an der Friedrichstraße. Nach und nach rückten die Musiker an und legten auf die Ladentheke, was sie am Sonntag und in der Woche zuvor bei ihren Auftritten im Cafe Barbara und anderswo verdient hatten. Diese Treffen hatten noch einen Nebeneffekt. Harold Krämer (Buddy and The Ravens, DAG-Folkloregruppe): "Da wurden untereinander auch schon mal Auftritte getauscht, gegenseitig Verstärker ausgeliehen und Informationen über die aktuellen Hits diskutiert."

Auch heute kommen junge Rockmusiker


Walter Horn war auch Gründer des Siegener Mandolinen- und Gitarrenorchesters. Nach seinem Tod wurde das 1878 erstmals erwähnte Musikhaus Carl Horn von seiner Ehefrau weitergeführt. Rüdiger Wisser steht mittlerweile schon lange hinter der Theke, und Walter Horns Sohn Klaus stieg 1982 in das Geschäft ein. Er weiß, welchen Ruf seinen Vater bei den Musikern der Siegerländer Beatgeneration genoss und erinnert sich auch noch an das Notizbuch, in das Walter Horn die Schulden der einzelnen Bands eintrug und ihre wöchentlichen Rückzahlungen notierte. Klaus Horn: "Heute geht das natürlich nicht mehr - da laufen Finanzierungen über die Bank." Aber auch heute gehören junge Rockmusiker zum Kundenstamm des Geschäfts, das aber auch über eine große klassische Abteilung verfügt.